
Am 12. Mai 1923 wurde die Kapelle im Nidelbad offiziell eingeweiht. Was sich im Laufe der Jahre nach und nach herausgebildet hatte, gleichsam "von Erkenntnis zu Erkenntnis" gewachsen war, fand in jener feierlichen Einweihung und Einsegnung seinen vorläufigen Abschluss. Gewiss gab es später noch einige Veränderungen und Erweiterungen, aber im Wesentlichen hatte die Kapelle an jenem 12. Mai 1923 schon ihre endgültige Struktur gefunden. Damit war auch eine architektonisch anschauliche Umsetzung von Gesinnung und Auftrag des Schweizerischen Diakonievereins gelungen: Treue zur eigenen Konfession, aber allen im Dienste verpflichtet!

Fünf Räume in Einem
Als ein Raum gedacht, ist die Kapelle doch fünfgeteilt: Durchbrochene Wände grenzen die einzelnen Räume zwar gegeneinander ab, geben aber stets den Blick auf alle Räume frei, und vor allem auf den mittleren erhöhten Raum, die Vierung.
Von Bildsäulen umrahmt, steht hier der Thron Christi, als Mittelpunkt der ganzen Kapelle. In den Sockel des Thrones ist die Bitte ”MARANATHA” (Unser Herr komm!) eingeschnitzt; über dem Thron hängt der ”Lebenskreis von Mensch und Kirche”, als Symbol für die Einheit und Verbundenheit mit der gesamten Kirche in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

Urchristliche Familiengemeinschaft
Der Kindheit - Zeit urchristlich-familienhafter Gemeinde - entspricht der Raum der Familie, mit dem grossen Familientisch im Zentrum; durch diesen Raum betritt man die Kapelle.

Katholische Kirche
Dem Jugendalter - Zeit selbstbewusster katholischer Kirchwerdung - entspricht der Raum der Kirche, mit dem Dreifaltigkeitsaltar.

Evangelische Gemeinde
Dem Erwachsenenalter - Zeit reformatorischer Predigt und Lehre - entspricht der Raum der Gemeinde, mit Abendmahlstisch und Kanzel.

Bruderschaftliche Vereinigung
Die Reife des Alters schliesslich - Zeit voller Mündigkeit und Freiheit, aber auch der dankbaren Rückschau - findet ihren Ausdruck im Raum der Bruderschaft, chorförmig angeordnet um den ”Brunnen der Fusswaschung” mit dem Lesepult und der aufgeschlagenen Bibel.

Vor der Vierung
In der Struktur der Räume werden die Entwicklungsstufen sichtbar, die der göttlichen Gesetzmässigkeit für das natürliche und geistige Wachstum jedes Menschen, jeder Gemeinschaft und der ganzen Kirche entsprechen. Die unterschiedlichen Traditionen - die diesen Stufen entsprechen - erfüllen aber nur dann ihren Auftrag, wenn sie ergänzend aufeinander bezogen gelebt werden und miteinander auf die eine und einzige Mitte ausgerichtet sind!
Leider zeigt uns die Geschichte der Christenheit, dass die Überheblichkeit und Engstirnigkeit der Menschen immer wieder zu Ab- und Ausgrenzung, zu Streit und Trennung geführt haben. - Man hat die gemeinsame Mitte vergessen und jeder hat sich seine eigene Mitte gebaut!

Der Brunnen der Fusswaschung
An der Rückwand der Vierung im "Raum der Bruderschaft" befindet sich der "Brunnen der Fusswaschung